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Aktuelles Projekt

Miteinander reden - Spaltungen überwinden

Das Projekt Miteinander Reden setzt sich mit gesellschaftlichen Spaltungen und den Folgen des russischen Angriffskrieges auseinander. Wir stärken lokale und internationale Dialogräume für einen solidarischen Austausch zwischen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen aus Deutschland, Russland und Polen.

Jetzt erst recht: Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 bleiben wir solidarisch mit russischen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, die sich für Menschenrechte, Frieden und ein demokratisches und gerechtes Russland einsetzen. Ungeachtet massiver staatlicher Repression und eines enormen persönlichen Risikos strafrechtlicher Verfolgung und Bedrohung durch lokale Sicherheitsstrukturen, sind unsere russischen Partner*innen entschlossen weiterzuarbeiten. Im Rahmen des Vorgängerprojektes ist ein lokales Netzwerk von Aktivist*innen innerhalb der verschiedenen Regionen der Russischen Föderation entstanden, es wurden lokale Dialogräume geschaffen und methodische Ansätze für die Zusammenarbeit mit neuen Bevölkerungsgruppen erarbeitet.

Polnische, deutsche und russische Aktivistinnen haben sich vernetzt und erste Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit identifiziert. Nach dem 24. Februar 2022 hat sich die Situation radikal verändert. Jetzt gilt es, die Netzwerke und Unterstützungsstrukturen zu erhalten und wo möglich auszubauen.

Die Folgen des Krieges sind überall spürbar. In Russland besteht die konkrete Gefahr einer gesellschaftlichen Isolation und Gleichschaltung zivilgesellschaftlicher Opposition. Aber auch in Deutschland und in Polen beobachten wir, dass die militärische Gewalt negative Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den Menschen hat. Feinbilder werden reaktiviert, Debatten werden zunehmend aggressiv geführt, jahrelang aufgebaute, grenzübergreifende Beziehungen werden abgebrochen – es bleibt nur wenig Raum für Zwischentöne und Dialog.

In diesem Projekt geht es darum, medialen Feinbildern und staatlicher Propaganda, persönliche Begegnung entgegenzusetzen. Wir werden Menschen dabei unterstützen, sich zivilgesellschaftliche Handlungs- und Dialogräume zurückzuerobern. Dabei nutzen wir biographische Methoden als Herangehensweise, um Menschen zu ermutigen, miteinander in Verbindung zu treten. Nur gemeinsam können wir etwas bewirken!

Nachbarschaftsgespräch in Berlin Pankow: "Wie reden wir über den Krieg?", 07. Juli 2022

Nachbarschaftsgespräch in Berlin Pankow: „Wie reden wir über den Krieg? 07.Juli 2022, 19:00-21:00 Uhr

Der Russland Ukraine Krieg betrifft auch uns und die deutsche Gesellschaft. In den Medien, aber auch unter Freunden und in den Familien wird heftig diskutiert und gestritten. Manche festen Überzeugungen werden durch die Ereignisse in Frage gestellt. Ängste vor einer Ausweitung des Krieges oder die Frage nach Solidarität treiben viele Menschen um. Die Polarisierungen zwischen verschiedenen Positionen verstärken sich. Alte Feindbilder zwischen Ost und West werden reaktiviert. Biografische Erfahrungen und Familienerinnerungen spielen eine große Rolle. Häufig stellt sich ein Gefühl ein, dass in den vielen Debatten für Zwischentöne und Zweifel, für einen nachdenklichen, offenen Dialog zu wenig Raum bleibt.

Beim Nachbarschaftsgespräch kamen wir über Perspektiven und Erfahrungen, Zweifel und Fragen in einem offenen Raum ins Gespräch.

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Akteur*innen im Dialog (2021)

Im Jahr 2021 setzten sich zivilgesellschaftliche Akteur*innen aus Polen, Russland und Deutschland aktiv mit Spaltungen in ihren Gesellschaften auseinander. Durch die kritische Reflexion aktueller gesellschaftspolitischer Debatten in ihren Gesellschaften und der Auseinandersetzung mit ihren persönlichen Erfahrungen und ihrem politischen Engagement, erarbeiteten sie Strategien zur Stärkung ihrer Position und der Schaffung von Dialogräumen innerhalb ihrer Gesellschaften.

Seit vielen Jahren stehen zivilgesellschaftliche Akteurinnen und politische Initiativen in Russland, Polen und Deutschland zunehmend unter Druck. In Russland erschwert das Gesetz zu ausländischen Agenten und Verhaftungen von politischen Oppositionellen in Russland jedes zivilgesellschaftliche Engagement für Menschenrechte und Demokratie. In Polen kämpft die Protestbewegung gegen das Abtreibungsverbot und gegen den Abbau des demokratischen Rechtsstaats. Und auch in Deutschland geraten feministische und andere an demokratischen Werten orientierte Organisationen und Gruppen durch rechte Angriffe in öffentlichen Medien, aber auch durch direkte Gewalt in Bedrängnis. Ein echter Dialog zwischen politischen Opponenten findet kaum statt und die Fronten verhärten sich weiter. Das Projekt Miteinander Reden schafft neue Diskussionsräume für Austausch jenseits von politischer Rhetorik und stärkt zivilgesellschaftliche Allianzen für den Dialog und gesellschaftlichen Wandel.

Ein zentrales Element des Projektes bildet die Arbeit mit biographischen Dialog-Methoden. Neben feministischen Themen wie Catcalling, Care Arbeit und dem Abtreibungsgesetz in Polen, befassen sich die Akteur*innen auch mit dem gesellschaftlichen Umgang mit Menschen mit Behinderungen, dem Generationenkonflikt und den Diskussionen zum Thema Impfungen.

Es entstanden lokale Dialoginitiativen in Berlin, Slubice, St.Petersburg und anderen Städten zu verschiedenen Themen der gesellschaftlichen Spaltung.

Initiativen

◾ Cat Calling, Berlin

Mit Workshops, Ausstellungen und einer Social Media Kampagne tragen die Aktivistinnen zur Sichtbarmachung des Themas sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum bei.

◾ Care Arbeit, Berlin

◾ Machtverhältnisse, Berlin

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◾ Our Common Cause, Frankfurt / Slubice

Our Common Cause verleiht Aktivist*innen eine Stimme und schafft Raum für unterschiedliche Positionen innerhalb der Bewegung. Die Biographischen Interviews mit Frauenrechts- und LGBTQ* Akteurinnen in Berlin und in Polen, Slubice und Szczecin wurden vom Social Unrest Archive zusammen mit Studierenden der Europa Universität Frankfurt (Oder) Viadrina durchgeführt.

“Ich möchte darüber sprechen, was mir passiert ist, als ich schwanger war. Welche Entscheidung ich zu treffen hatte. Und dass ich es nicht bereue”- Interview mit Kasia über ihre persönlichen Erfahrungen mit dem verhinderten Zugang zu reproduktiven Rechten in Polen.

In dem Videointerview “Wir haben für viel zu kämpfen” spricht die Aktivistin Dagmara Adamiak aus Szczecin darüber, wie sie die soziale Spaltung in Polen wahrnimmt und wie “die Freiheit Stück für Stück weggenommen wird”. Sie erzählt auch, was sie motiviert hat, sich sozial und politisch zu engagieren, und was ihr die Kraft gibt, weiterzumachen.

◾ Mit persönlichen Geschichten zu den Menschenrechten

Mit der Podcastreihe “Mit persönlichen Geschichten zu den Menschenrechten” veröffentlichte eine Menschenrechtsorganisation in Russland biographischen Erzählungen von Aktivistinnen, in denen sie erzählen wie sie zu ihrem politischen Engagement gekommen sind und welche Rolle das Thema Menschenrechte dabei spielt .

◾ Gespräche über das Wesentliche

In der Initiative „Gespräche über das Wesentliche“ identifizierte eine russische Menschenrechtsorganisation vier generationenübergreifende Spaltungsthemen in ihrer Gesellschaft und führte Dialogtreffen mit Jugendlichen und ihren Familien durch. Dabei wurden die Themen Internet – Fluch oder Segen, Die Rolle von Lehrern, Großfamilien und Gewalt in der Kindererziehung diskutiert. Das Ziel der Initiative war es Ressentiments und Unverständnis abzubauen und zu einem besseren Verständnis und gegenseitiger Akzeptanz beizutragen

Erfahrungen von Projektteilnehmerinnen aus Berlin und Russland

Projektveranstaltungen

◾ Dialogveranstaltung in Istanbul, 1. - 3. Oktober 2021

Eine Internationale Dialogveranstaltung vom 1.- 3. Oktober 2021 in Istanbul bildete den Höhepunkt und Abschluss des Projektes. Hier trafen sich die Teilnehmenden aus Polen, Russland und Deutschland, stellen ihre Initiativen vor und diskutieren über Strategien im Umgang mit gesellschaftlichen Spaltungen.

Während in Polen vor allem die Debatte um das Abtreibungsgesetz die gesellschaftliche Polarisierung dominiert, konnten in Deutschland und Russland verschiedene Themen der Spaltung identifiziert werden. Dazu zählen Gender- und LGBT-Rechte, Diskriminierung und Inklusion und Corona- Maßnahmen (Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft). Für russische Aktivistinnen stellt das ausländische Agentengesetzt für zivilgesellschaftliche Organisationen eine zusätzliche Herausforderung dar. Die zunehmenden staatlichen Repressionen gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisation und jeglicher politischen Opposition verstärken ihre gesellschaftliche Isolation und schränken ihren politischen Handlungsspielraum enorm ein. Da auch der Zugang zu unabhängigen Informationen zunehmend schwieriger wird, empfanden es die Teilnehmerinnen als besonders bereichernd sich mit Aktivistinnen aus den anderen Ländern auszutauschen und zu vernetzen. Der persönliche Austausch vertiefte das Verständnis für die gesellschaftlichen Diskurse in den anderen Ländern und ermöglichte die Reflexion über die eigene Position und Debatten. So war es für die russischen Akteurinnen erstaunlich zu hören, dass die Aktivistinnen aus Polen landesweite Proteste und Kundgebungen organisieren konnten, während polnische Aktivistinnen ihre Sorge vor einer ähnlichen politischen Entwicklung wie in Russland zum Ausdruck brachten.

In der Diskussion über die unterschiedlichen Erfahrungen mit der Anwendung biographischer Ansätze zur Überwindung von Spaltungen verdeutlichte deren Potential aber auch Herausforderung. Die Anwendung biographischer Ansätze in vielfältigen Kontexten und Anwendungsgebieten ermöglichte es zivilgesellschaftlichen Akteurinnen gesellschaftlich relevante Themen zu generieren und neue Räume für Dialog und Austausch zu schaffen. Die zivilgesellschaftlichen Akteurinnen stellten Kontakte zu neuen Bevölkerungsgruppen her, vernetzten sich untereinander und initiierten neue lokale Netzwerke. Die Teilnehmerinnen betonten, dass die biographischen Ansätze sehr gut geeignet sind um eine „Kultur des Dialogs“ zu etablieren, in der das Gespräch mit Andersdenken ermöglicht und die Bereitschaft einander besser verstehen zu wollen gestärkt wird. Die Anwendung biografische Ansätze kann im russischen Kontext zur Strategie werden, weil es im Moment die Möglichkeit ist, über politische Themen zu sprechen. Im deutschen und polnischen Kontext ist es eher eine notwendige Ergänzung zu verschiedenen Formen der politischen Auseinandersetzung, um neben dem Aktionismus eine Reflexionsebene und die Möglichkeit mit Andersdenkenden in Kontakt zu sein, zu schaffen.

◾ Veranstaltung „Emanzipation in Belarus, Polen und (Ost-) Deutschland“

In Belarus mobilisierten Frauen den Aufstand gegen das diktatorische Regime und die paternalistische Gesellschaft. In Polen initiierten Frauen mit dem Schwarzen Protest gegen das Abtreibungsverbot eine landesweite Protestbewegung. In Deutschland polarisieren verschiedene Debatten um Geschlechtergerechtigkeit die Gesellschaft. Die Forderung von Frauen nach Gleichberechtigung ist alt, die Schwerpunkte im Ringen um die Gleichberechtigung werden immer wieder neu justiert.

Drei Frauen aus unterschiedlichen Generationen diskutieren über Konzepte und Realitäten von Gleichberechtigung im ausgehenden Sozialismus und den Wandel von Themen und Forderungen in den postsozialistischen Gesellschaften – bis zum Realitätscheck: Wo stehen wir heute mit Blick auf die Emanzipation? Mehr lesen… Audiomittschnitt der Veranstaltung

Projektpartner:

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